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Eugenics - Klonen von Menschen und dessen künstlerische Interpretation von Belle Shafir

Das Klonen von Menschen hat Künstler schon seit vielen Jahrzehnten fasziniert. Bereits 1932 veröffentlichte Aldous Huxley seine klassische Novelle Brave New World, worin er dieses Thema behandelt. In The Multiple Man von Benjamin W. Bova’, das 1976 veröffentlicht wurde, werden mehrere vollkommen identische Körper von ….., dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, gefunden. Im selben Jahr wurde auch Ira Levin^s berühmte Novelle The Boys from Brazil, auf die der ebenso berühmte Film basiert, veröffentlicht; darin sind Szenen enthalten, die die Reduplikation von Adolph Hitler durch Neo-Nazies veranschaulicht. Jahre später, 1993, stellt Stephen Spielberg’s Film Jurassic Park die Wiederbelebung von Dinosauriern dar, was durch das Einpflanzen ihrer genetischen Substanzen in Eizellen von Fröschen ermöglicht wird.

In literarischen Fantasien, wie The Boys from Brazil und Jurassic Park, basierte die Klontechnik auf der Vorstellung, das man eine Eizelle nehmen kann, die sich darin befindliche Information zerstören und sie mit genetischer Information, die von einer Zelle eines anderen Tieres oder eines Erwachsenen genommen wird, ersetzen kann.

Heute ist diese Technik nicht länger pure fiktionale Fantasie, die sich in den Köpfen von Filmemachern und Schriftstellern abspielt. Das erfolgreiche Klonen des Schafs Dolly im Jahre 1997 brachte die Möglichkeit des Klonens von Menschen zur Sprache. 1999 liess man einen menschlichen Embryo in einem Laborteller wachsen. Dieses Embryo wurde von Kopf bis Fuβ im biotechnologischen Labor eines amerikanischen Unternehmens hergestellt, das die technologische Herausforderung annahm, eventuell menschliche “Ersatzteile” heranwachsen zu lassen. Das explizite Ziel ist, zu erreichen, dass Embryozellen sich in ein perfektes Organ, jedes Organ: eine Leber, Lunge, einen Knochen oder sogar ein Gehirn, entwickeln, das wiederum in einen menschlichen Körper implantierbar ist. Auf diese Weise, können wir, theoretisch, auch den Embryo sich zu einem ganzes Baby entwickeln lassen – genau genommen ein Produkt aus der Retorte.

Zukünftig müsste somit das Klonen von Menschen die Entwicklung in den Grundlagen- und Anwendungsstudien des Lebensprozesses, der Erneuerung von verletzten Geweben, Kontrolle über die Vervielfältigung von Krebszellen usw. gewaltig voranbringen. Doch solches Klonen würde zum Experimentieren mit dem Menschen nach sich ziehen, was uns in Hinsicht auf einen möglichen Unfall während derartiger Experimente beunruhigt, Experimente, die schweres Leiden an Versuchspersonen und gewaltige soziale Veränderungen verursachen können: die Entartung der derzeitigen moralischen Beschränkungen und das Wiederauftauchen von Eugenics – dem Missbrauch dieses Wissens durch unheilvolle totalitaristische Regime. Neben diesen Szenarios, kommen natürlich Probleme auf, es stellen sich Fragen zu dem rechtlichen Status der geklonten Person oder der möglichen Aberkennung ihres Status aufgrund der Erwartung der Gesellschaft, akkurat das Verhalten ihrer Schöpfer nachzuahmen.

Belle Shafir bezieht keinen Standpunkt in den ausgestellten Arbeiten, der das Klonen in der einen oder anderen Richtung verurteilt.

In ihrem Atelier – Labor ist sie “der bejubelte Sieger” und einem modernen Wissenschaftler gleich mit einem akribischen Kunsthandwerk des Klonens und der Intervention in die Prozesse, Menschliches zum Sein zu bringen, betraut.

In diesem Kunsthandwerk vereinigt Belle Shafir Laborutensilien wie Spritzen, Plastikröhrchen, Glasreagenzgläsern, “Petri-“Teller, Substrate, stellt Etiketten zu Kennzeichnung von Gewebeteilen oder Embryos in frühen Entwicklungsstadien her, sie “konstruiert” sie aus Gipsbandagen, Baumwollsträngen und Haaren, goldenen Garnen, Gold- und Silberblättchen, glitzernden Steinen und Perlen. Aus diesen amorphen embryonalen Figuren, wachsen Beine und Arme, eine daraus hervorgehende Form eines menschlichen Körpers oder wiederverbundene DNA. Diese zarten Gegenstände werden wie seltene Schmuckstücke in hell beleuchteten und verschlossenen Glasvitrinen gezeigt.



Neben den dreidimensionalen Objekten, zeichnet Belle Embryofiguren mit Tinte auf Hunderte von Identifizierungsetiketten, deren Fäden sie zu unendlichen Schnürsträngen flechtet. Neben dem Zeichnen der Figuren auf Etiketten, zeichnet Belle sie, fast einem Ritual gleich, auf -zig dicke Albumsseiten oder Papierstücke, die sie auf Sperrholzplatten klebt. Geht das Klonen in Shafir’s Laboratorium schief und eine zweiköpfige oder entstellte embryonale Mutation wird “geboren”, wickelt Belle Shafir diese dann in Tausende von glänzenden wie Perlen schimmernden Zechinen ein, die sie langsam und gewissenhaft festklebt, oder sie überzieht ihre kegelförmige “Kreation” mit glänzenden Goldblattstückchen, so als ob sie die anfängliche Angst vor dem entstellten Ergebnis mittels einem glamourösen Äuβerlichen beheben will. In diesem Sinn wirken die Werke der Künstlerin auf den ersten Blick verführerisch. Doch sieht man näher hin, erweisen sich diese Schmuckstücke als Fälschungen aus künstlichen Materialien, und je mehr man diese untersucht, desto mehr wird uns klar, dass die Künstlerin uns bewusst täuscht, was Abweisung und Besorgnis hervorruft, ein Akt, der ganz und gar dem technischen Akt des Klonens entspricht, der in biotechnologischen Labors vorgenommen wird, in denen ganze Serien von Reproduktionen aus Menschenhand gemacht werden.

Der griechische Mathematiker, Physiker und Erfinder Archimedes, der als einer der Vorväter der Technik zählt, soll einst gewetteifert haben: “Gebt mir einen Platz, wo ich stehen kann, und ich werde die Erde bewegen.”

Es scheint, dass Belle Shafir, die sich wie viele von uns der dramatischen Entwicklungen im Bereich der Gentechnik, Erblichkeit und des Klonens bewusst ist, jenen Wendepunkt in der Darstellung unserer Welt und in unserer Sicht der Lebewesen in ihr gefunden hat, einen Drehpunkt, der sie wie uns alle beunruhigt.
Danksagung an Belle Shafir, die diesen Text zur Verfügung stellt.    Besuchen Sie Belle Shafir's e-space

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